An dieser Stelle wollen wir Ihnen die wichtigsten Grundlagen der Genetik etwas näher bringen.
Sie sollen keine Genetiker werden, aber mit den folgenden Informationen werden Sie die eine oder andere Entscheidung bei der Zuchtauswahl von Züchtern etwas besser verstehen.
Die Genetik ist die Grundlage für das richtige Züchten. Zwar ist es möglich bei der Verpaarung von zwei schönen und gesunden Hunden ebenfalls schöne und gesunde Welpen zu erhalten, aber das ist im Grunde ein Zufallsprodukt und hat mit Zucht und Zuchtauswahl nichts zu tun.
Die Bausteine der Genetik
Jedes Lebewesen, jedes Organ und jedes Gewebe besteht aus unzähligen Zellen. Bei hochentwickelten Lebewesen sind diese Zellen extrem spezialisiert, d.h. eine Hautzelle kann nicht die Aufgaben einer Muskelzelle oder der einer Leberzelle übernehmen. Auch besteht nicht die Möglichkeit einer Umbildung der Zellen. Eine Knochenzelle ist nicht in der Lage sich zu einer Zelle in der Schleimhaut umzubilden und deren Aufgabe zu übernehmen.
Dennoch tragen alle Zellen in ihrem Zellkern die gesamten Erbinformationen aller Zellen, des gesamten Körpers, in sich, sie werden nur nicht abgerufen und angewandt.
Enthalten sind diese Informationen im Zellkern, den praktisch jede Zelle besitzt. Hier ist die sogenannte DNA abgelegt. Den Begriff DNA oder auf Deutsch DNS haben Sie mit Sicherheit schon des Öfteren gehört.
DNS ist die Abkürzung für Desoxyribonukleinsäure.
Die DNS besteht aus vier Nukleobasen, die miteinander über Wasserstoffbrücken gekoppelt sind:
A ... Adenin verbindet sich nur mit Thymin
T ... Thymin
C ... Cytosin verbindet sich nur mit Guanin
G ... Guanin
Diese Nukleobasen sind spezielle Moleküle aus Stickstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff.
Die DNS ist dabei eine lange Abfolge von diesen vier, immer wieder vorkommenden, Basen. Wann und in welcher Reihenfolge jede einzelne Base in diesem Strang vorkommt macht die individuelle Erbinformation eines Lebewesens aus. Die Abfolge ist für jedes Individuum absolut einzigartig.
Immer zwei dieser DNS-Fäden legen sich zusammen und werden spiralförmig, rechtsläufig aufgedreht um Platz zu sparen. Werden diese Fäden aufgedreht sehen sie aus wie eine Leiter, deshalb werden sie auch als Doppelhelix (Helix = Leiter) bezeichnet.
Bestimmte Abfolgen auf diesen DNS-Strängen enthalten nun die Informationen, die für eine bestimmte Merkmalsausprägung erforderlich sind.
Einen solchen Abschnitt auf der DNS, der für eine bestimmte Merkmalsausprägung verantwortlich ist bezeichnet man als Gen.
Die DNS-Fäden schweben im Zellkern nicht frei herum, sie werden verpackt.
Diese Verpackung bezeichnet man als Chromosom.
Diese Chromosome kommen jeweils als Paar vor, d.h. die Erbinformationen sind jeweils doppelt vorhanden. Zur Sortierung bilden die zusammengehörigen Chromosomen Chromosomenpaare.
Beim Hund werden so 39 Chromosomenpaare gebildet, beim Mensch sind es 46, bei der Maus 40.
Grundlagen der Vererbung
Weitergabe des Erbgutes
Für die Zucht von Rassehunden ist natürlich die Weitergabe des Erbgutes an die Nachkommen das Wichtigste.
Daran sind Rüde und Hündin in gleichem Maße beteiligt. Bei beiden teilen sich die unreifen Geschlechtszellen, so dass zwei befruchtungsfähige Zellen mit jeweils einem einfachen Chromosomensatz entstehen.
Bei dieser „Reife“ werden also die 39 Chromosomenpaare aufgeteilt und die beiden Geschlechtszellen enthalten aus jedem Chromosomenpaar jeweils ein Chromosom.
Sowohl die Eizelle als auch das Spermium enthalten nun jeweils einen halben Chromosomensatz.
Bei der Befruchtung, dem Verschmelzen der beiden Zellkerne aus Eizelle und Spermium, findet jedes Chromosom seinen Partner wieder.
Hierbei kommt es aber zu einer ganz neuen, individuellen Zusammenstellung, zu der beide Elterntiere ihr Erbgut beigesteuert haben.
Deshalb sind die Nachkommen in vielen, meist sehr markanten Punkten ähnlich, jedoch können sich aus der Kombination des Erbgutes der beiden Elterntiere auch neue und andere Merkmale entwickeln.
Dies ist die große Chance bei der geschlechtlichen Befruchtung, wie sie bei unseren Hunden stattfindet. Hierbei kann es durch die Verschmelzung von väterlichem und mütterlichem Erbgut zu einer Verbesserung von Merkmalen und Eigenschaften durch Neukombination kommen.
Wer setzt sich durch?
Wir haben gelernt, dass durch die Befruchtung, jedes Gen zweimal vorhanden ist, einmal vom Vater und einmal von der Mutter.
Wie wird aber nun geregelt, welches Merkmal sich durchsetzt?
Im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten die wir nun im Einzelnen betrachten wollen.
Nehmen wir an, dass beide Gene das gleiche Merkmal beinhalten. In diesem Fall ist die Ausprägung klar.
Legen als Beispiel beide Gene die Felllänge „Langhaar“ fest werden die Welpen ein langhaariges Fell ausbilden, legen die beiden Gene als Merkmal „Kurzhaar“ fest werden die Welpen ein kurzhaariges Fell ausbilden.
Diese Welpen werden dann, im Hinblick auf die Felllänge als reinerbig oder homozygot bezeichnet, da beide Gene für ein Merkmal das Gleiche kodieren.
In der zweiten Variante treffen ein Langhaargen und ein Kurzhaargen aufeinander, das eine vom Vater und das andere von der Mutter.
In diesem Fall sind die Welpen mischerbig oder heterozygot für das Merkmal der Felllänge, d.h. die beiden Gene für ein Merkmal sind unterschiedlich.
In diesem Fall stellt sich die Frage, welches Merkmal wird sich durchsetzen.
Hier ist entscheidend welches Gen dominant ist, also das andere unterdrückt. Bei unserem Beispiel wird es die Kurzhaarigkeit sein, denn bei Hunden vererbt sich Kurzhaarigkeit gegenüber Langhaarigkeit dominant. Die Welpen bilden also ein kurzhaariges Fell aus.
Trotzdem tragen sie als zweites Gen eines für Langhaar in sich. Von diesem ist jedoch äußerlich nichts zu sehen, da dieses Langhaargen rezessiv, d.h. dem dominanten Gen unterlegen ist.
Hier kommen zwei neue Begriffe auf. Die Welpen zeigen das äußere Erscheinungsbild eines kurzhaarigen Hundes. Dieses äußere Erscheinungsbild wird als Phänotyp bezeichnet.
Es unterscheidet sich von den in den Zellen vorhandenen Erbanlagen, die man als Genotyp bezeichnet.
Äußerlich ist unser Welpe also kurzhaarig, innerlich trägt er jedoch beide Gene, für langhaarig und kurzhaarig in sich.
Wenn Kurzhaar gegenüber Langhaar dominant ist, wie ist es dann möglich das z.B. beim Deutschen Schäferhund bei der Verpaarung von zwei Kurzstockhaar Hunden immer wieder welche mit Langstockhaar geboren werden?
Sind beide Elterntiere für die Felllänge heterozygot, also mischerbig, dann tragen sie beide die Anlage für langes Fell in sich. Da Langhaar rezessiv ist wird es sich nicht zeigen.
Kommen jedoch bei der Befruchtung zwei rezessive Anlagen zusammen, dann wird dieses Merkmal auch äußerlich sichtbar.
Rezessive Merkmale sind für die Zucht gefährlich. Ihre Vererbung ist unsichtbar, kann jedoch beim Zusammentreffen von zwei rezessiven Merkmalen plötzlich sichtbar werden.
Der Phänotyp eines Hundes verrät also nicht unbedingt seinen Genotyp.
Regeln der Vererbung
Sie sehen dass die Sache mit der Zucht von Rassehunden auf ein bestimmtes Zuchtziel hin gar nicht so einfach ist. Die Auswahl von Zuchthunden aufgrund eines Championtitels hat nichts mit Zucht zu tun.
Interessant ist nicht was die Elterntiere zeigen sondern nur wie sie vererben.
In der Vererbungslehre gelten noch heute die drei von Gregor Mendel im 19. Jahrhundert aufgestellten Vererbungsgesetze. Er war ein Mönch und stellte seine Gesetze anhand von Kreuzungsversuchen mit Pflanzen auf.
1. Mendelsches Gesetz (Uniformitätsregel)
Kreuzt man im Hinblick auf ein Merkmal jeweils reinerbige Individuen, dann sind alle Nachkommen gleich.
Kommen in einer Hunderasse beispielsweise schwarze und braune Tiere vor und ist schwarze Fellfärbung dominant, dann werden aus der Verpaarung eines reinerbig schwarzen und eines reinerbig braunen Hundes alle Nachkommen schwarz werden. Allerdings tragen nun auch alle Nachkommen ein rezessives Gen für die braune Fellfarbe in ihren Genen.
2. Mendelsches Gesetz (Spaltungsgesetz)
Kreuzt man die durchweg gemischterbige Individuen der 1. Nachkommengeneration miteinander,
dann erhält man zu 25 % reinerbig mit dem dominanten zu weiteren 25 % reinerbig mit dem rezessiven Gen ausgestatteten Nachwuchs. Die verbleibenden 50 % sind wiederum gemischterbig.
Die Merkmale der Elterntiere verteilen sich also im Zahlenverhältnis 1 : 2 : 1.
In unserem Beispiel bedeutet das, bei 25 % der Welpen ist Braunfärbung zu erwarten, 75 % werden schwarz, dabei sind aber nur 25 % reinerbig schwarz, die verbleibenden 50 % sind mischerbig, werden jedoch im Phänotyp schwarz sein, da schwarz dominant ist.
In der Natur gibt es neben diesen dominant-rezessiven Erbgängen noch sogennante intermediäre Vererbungen. In diesem Fall entsteht eine Mischung, also z.B. aus weißen und roten Blumen rosafarbene. Beim Hund gibt es nur einen solchen Erbgang, den Merle-Faktor. Dies ist eine Mutation auf einem Gen, die eine teilweise Aufhellung hervorruft. In Bereichen mit schwarzem Pigment werden die Haare durch fehlende Pigmente aufgehellt. Im Grunde ist es ein Pigmentmangel.
3. Mendelsches Gesetz (Neukombination der Gene)
Beobachtet man verschiedene Merkmale gleichzeitig, so werden diese unabhängig voneinander gemäß den ersten beiden Mendelschen Regeln vererbt.
Daraus entstehen neue, bei den Eltern nicht vorhandene Genkombinationen, die auch phänotypisch sichtbar werden.
Durch die weitere Verpaarung entstehen also neue Kombinationsmöglichkeiten, jedoch immer nach den ersten beiden Regeln.
Dies ist besonders bei Neuzüchtungen von Rassen von Bedeutung. Nach der 3. Mendelschen Regel lassen sich Merkmale neu kombinieren, die vorher auf unterschiedliche Ausgangstiere verteilt waren. Die neuen „Rassehunde“ werden zu nächst sehr unterschiedliche Phänotypen zeigen, jedoch durch gezielt Zuchtauswahl können die gewünschten Merkmale gefestigt werden und von Generation zu Generation eine Reinerbigkeit erreicht werden.
Auswirkungen auf die Hundezucht
Aus den Mendelschen Regeln können wir ableiten das, unerwünschte Merkmale aber auch Erbkrankheiten einige Generationen verdeckt bleiben können. Die erste Generation bleibt in der Regel verschont, es sei denn, das andere Elternteil steuert gleich ein rezessives Gen bei.
Vererbung genetischer Defekte
Die meisten genetischen Defekte (Erbkrankheiten) vererben sich autosomal rezessiv und sind monogen.
Das bedeutet sie werden, unabhängig vom Geschlecht, von Vater und/oder Mutter vererbt und der Defekt ist rezessiv, tritt also nur hervor, wenn beide Gene defekt sind.
In der folgenden Tabelle sind die möglichen Vererbungen inklusive der statistischen Verteilung aufgeführt.
„N“ steht für ein normales Gen, „D“ für ein defektes Gen
Da der Gendefekt rezessiv vererbt wird, ist er nur in den Fällen kritisch, in denen Nachkommen mit der Kombination „D/D“ hervorkommen können.
In der Folge muss bei der Auswahl der Zuchttiere im Hinblick auf eine solche Erbkrankheit folgendes beachtet werden.
Ist ein Elterntier frei von dem Gendefekt, also Genotyp „N/N“ darf es mit jedem anderen Genotypen verpaart werden.
Ist ein Elterntier nicht frei von dem Gendefekt, also Genotyp „N/D“ oder „D/D“ sollte es nur mit einem Genotyp „N/N“ verpaart werden.
Um die genetische Vielfalt einer Rasse zu erhalten, sollten Elterntiere mit dem Genotypen „D/D“ nicht grundsätzlich aus der Zucht ausgeschlossen werden.